5.
Es war wirklich ein merkwürdiger Tag gewesen - mehrere merkwürdige Tage sogar, dachte ich, als ich mit dem Motorrad bei der Kate ankam. Und was war eigentlich aus dem Frühling geworden? Ich zündete ein Feuer an, um die Auswirkungen des See-/Talnebels zu vertreiben und machte mir ein Corned-Beef-Sandwich. Später am Abend klopfte es an der Tür. Es war Ryman, der zuallererst um einen Tropfen zu trinken bat wie ein Glasgower Penner, wenn auch mit anderer Wortwahl.
»Sie hätten nicht zufällig etwas Alkohol im Haus? Es ist wieder etwas geschehen, das mich zwingt, meine Askese zu brechen.«
Ich ließ ihn mit einem Whisky auf dem bequemsten Stuhl Platz nehmen, den ich finden konnte. Er starrte lange auf den Boden.
»Gill ist gefahren«, murmelte er schließlich.
»Ich weiß. Ich habe sie in Mackellars Kutsche gesehen. Warum haben Sie sie in dem Zustand nicht mit dem Auto gefahren?«
»Das wissen Sie also auch. Benzin ist rationiert. Wir haben keins mehr.«
»Ich hätte Ihnen welches aus Dunoon mitbringen können.«
Aus seinem Gesicht sprach das Elend. »Das ist ihre siebte Schwangerschaft, Henry. Alle anderen waren Fehlgeburten.«
Irgendetwas landete auf dem Schieferdach über uns - eine Krähe? ein Zweig im Wind? -, doch es war, als wäre der Himmel selbst aufgerissen. Er sprach erst leise. Alles, was im Verborgenen gelegen hatte, kam jetzt ans Licht. »Wir wollten immer schon ein Kind. Sie ist jetzt fünfunddreißig; nächstes Jahr versucht sie es wieder, wenn dieses nicht überlebt. Sie sagt, es ist ihre Pflicht, und sie wird sich nicht davor drücken. Deshalb ist sie nach Süden gefahren.« »Auf die Isle of Wight«, sagte ich.
»Ja. Wie Sie wissen, wohnen die Blackfords dort, ihre Familie. Sie pflegen Gill hinterher meistens. Die Fehlgeburten kommen immer früher, also ist sie rechtzeitig hinuntergefahren, weil sie das Schlimmste erwartet.«
»Vielleicht ist es diesmal anders.«
»Da habe ich meine Zweifel. Für uns ist es jetzt nur noch eine Glaubenssache. Es gibt eindeutig einen wissenschaftlichen Grund für das, was geschehen ist. Es hat mit dem Blut und dessen Einteilung in verschiedene Gruppen zu tun. Mit dem Rhesusfaktor, von dem wir gesprochen haben. Ein ganz neues Forschungsfeld. Also ... haben wir diesem Julius Brecher, den Sie erwähnt hatten, Blutproben gebracht.«
»Meine auch, wenn ich das richtig verstanden habe«, erwiderte ich.
Ryman wirkte verlegen. »Ah, ja. Tut mir leid. Gill wollte es so machen. Sie liest viele Romane. Ich hätte Sie lieber direkt gefragt. Wir haben uns nämlich gedacht...«
Er verstummte. Ich legte ein neues Holzscheit ins Feuer und wartete ab, dass er fortfuhr, was er nach einer Weile auch tat. »Und zwar hatten wir uns gedacht, wenn es wieder passiert, wenn das Kind stirbt, dass Sie dann vielleicht, äh, einspringen könnten. Deshalb wollten wir Ihr Blut untersuchen lassen.«
»Als Kind einspringen?« Einen merkwürdigen Augenblick lang dachte ich, dass sie mich adoptieren wollten.
»Was? Nein. Wir dachten, wir hatten überlegt ... ob Sie vielleicht... mit Gill... könnten. Wir hatten überlegt, würden Sie vielleicht mit meiner Frau ..., damit sie ein Kind bekommt? Wenn es diesmal wieder passiert, weiß ich nicht, ob wir beide es noch einmal ertragen können. Deshalb ... naja, auf jeden Fall haben wir festgestellt, dass Ihr Blut nicht inkompatibel ist. Meins ist es leider.«
Schockiert trank ich einen ordentlichen Schluck Whisky, stand auf und klopfte auf der Suche nach Zigaretten nervös meine Hosentaschen ab.
»Das ist sehr ungesund«, merkte Ryman von seinem Stuhl aus an, als ich mir schließlich eine anzündete.
Darüber musste ich kurz lachen. Er warf mir einen wütenden, verletzten Blick zu und stand auf.
»Schön, dass Sie das so lustig finden«, sagte er.
»Warten Sie.« Ich legte ihm die Hand auf die Schulter. »Ich fand es nur lustig, dass Sie sich an so einem Zeitpunkt Sorgen um meine Gesundheit machen. Ich habe mir nichts dabei gedacht.«
Er atmete scharf ein und setzte sich wieder. »Ach so. Nun, es ist wohl normal, dass man sich in schmerzvollen Lagen an übliche Verhaltensmuster klammert, und eins von meinen ist es, dass ich alle immer darauf hinweise, wenn etwas schlecht für sie ist.« Jetzt lachte er verbittert. »Und ich bin schon wieder dabei. Gill sagt, dass ich es andauernd mache. Ich analysiere zukünftige Ereignisse. Sie glaubt, dass es daran liegt, dass mein Kopf immer daran arbeitet, dass wir keine Kinder bekommen können. Als ob mein ganzer Körper damit beschäftigt ist.«
Während er sprach, liefen ihm Tränen über die Wangen.
»Das kann doch gar nicht sein, Sir«, sagte ich so mitfühlend, wie ich konnte.
Er holte ein Taschentuch heraus, putzte sich die Nase, lächelte mich schwach an und stand dann abrupt auf und ging.